Allgemeine Übersicht zur chronischen Schmerztherapie bei Tieren
Wie in der Humanmedizin stellt die Behandlung chronischer Schmerzen beim Tier einen zunehmend wichtigen Komplex in der Betreuung unserer vierbeinigen Patienten dar. Dies liegt zum einen darin begründet, dass mit steigender Lebenserwartung auch bei genetisch nicht vorbelasteten Patienten altersdegenerative Gelenkerkrankungen auftreten. Zum anderen muss die Tiermedizin hier selbstkritisch anerkennen, dass das Feld der Schmerztherapie erst in den letzten Jahren wirklich intensiver betrachtet wird und neue Ansatzpunkte in der Therapie zum Einsatz kommen. Dieser Artikel stellt eine kurze Erwähnung und Bewertung der einzelnen Möglichkeiten dar. Detailliertere Beiträge werden bei Veröffentlichung in diesem Artikel verlinkt.
Die unterschiedlichen Möglichkeiten werden hier nur kurz aufgelistet und auf den verlinkten Unterseiten weiter ausführlicher erklärt. Da dieses Themengebiet sich derzeit in rasendem Tempo weiterentwickelt, erhebt dieser Artikel keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Weiterhin gebe ich zu bedenken, dass alle wertenden Aussagen zu Verfahren oder Medikamenten meine eigene persönliche Meinung darstellen.
In meiner beratenden Tätigkeit habe ich mir angewöhnt, den Patientenbesitzern so gut es geht reinen Wein einzuschenken. Das heißt im Falle der Schmerztherapie, dass wir uns bei vielen Verfahren und Wirkstoffen im "unwissenschaftlichen" Bereich bewegen. Demnach ziehe ich eine klare Grenze bei der Einteilung der einzelnen Möglichkeiten:
Schulmedizin
Auf der einen Seite haben wir die Schulmedizin. Die Schulmedizin bietet etablierte Wirkstoffe und Verfahren, welche durch zahlreiche voneinander unabhängige Studien *hoher Qualität* (hierzu an anderer Stelle mehr) wissenschaftlich belegt sind. Die schulmedizinischen Verfahren wirken *nachgewiesenermassen* gegen den physiologischen Prozess des Schmerzes. Hierbei sind allerdings zwei Dinge zu beachten:
1. Schulmedizinische Verfahren führen in einigen Fällen auch zu unerwünschten Wirkungen (auch "Nebenwirkungen" genannt). Weiterhin gibt es gesicherte statistische Nachweise von Risiken, welche schulmedizinische Verfahren in sich tragen.
2. Auch schulmedizinische Verfahren haben nie eine Wirksamkeit von 100%. Selbst wenn ihr Nutzen für einen Großteil der Patienten belegt ist, heisst dies nicht, dass schulmedizinische Verfahren bei jedem Tier wirken. Es wird immer "Therapieversager" geben, die nicht in hinreichendem Mass von dem verschriebenen Medikament profitieren.
Als schulmedizinische Medikamente sind hauptsächlich im Einsatz
- Nicht Steroidale Entzündungshemmer (die Bezeichnung dieser Medikamentengruppe wechselt sehr häufig)
- Steroidale Entzündungshemmer
- Rezeptorenblocker in chemischer Form
- Opiate
- Gabapentin/Pregabalin
- monoklonale Antikörper als Rezeptorenblocker
Das einzige nicht-medikamentöse Verfahren, welches definiert als Schulmedizin im engeren Sinne betrachtet werden kann, ist die korrigierende Chirurgie. Prothetik und die Verwendung von Bandagen/Einlagen ist in der Tiermedizin nicht üblich. Die chirurgische Korrektur bei chronischen Gelenkschmerzen - wichtig, hier ist nicht die Rede von chirurgischen Eingriffen nach Traumata wie zum Beispiel Knochenbrüchen oder Bänderrissen - ist immer als Ultima ration (= letzte Möglichkeit, die man in Betracht zieht) zu sehen.
Wellness
Die zweite Gruppe von Massnahmen, die man zur Behandlung chronischer Gelenkschmerzen in der Tiermedizin heranzieht, fasse ich persönlich gerne unter dem Begriff Wellness zusammen. Damit ist gemeint, dass alle diese Verfahren einen Nutzen bringen können, es aber keine hinreichend gesicherte wissenschaftliche Studienlage gibt, die den Nutzen der entsprechenden Verfahren belegt. Alternativ wurden Studien durchgeführt, die einen Nutzen belegen sollen, beinhalten in Ihrem Aufbau teilweise allerdings so viele Unwägbarkeiten, dass sie den harten Kriterien einer wirklich wissenschaftlichen Betrachtung nicht standhalten. Hierzu zählen für mich vor allem folgende Dinge:
- Nutriceuticals/Nahrungsergänzungsmittel
- Phytotherapeutika
- Homöopathie
Ein weiteres Feld stellen manuelle Therapien und Behandlungen dar, welche sich irgendwo an der Grenze von medizinischem Handeln und Wellness bewegen. Das prägnanteste Feld hierbei ist die Physiotherapie. Der Nutzen von Physiotherapie für die Tiere ist eindeutig wissenschaftlich belegt. Das Problem hierbei ist aber, dass es nach wie vor nicht gelungen ist, einen einheitlichen Ausbildungsstandard für Tierphysiotherapeuten zu definieren, geschweige denn, das es in irgendeiner Form eine Kontrollinstanz gibt, die die individuelle Qualifikation des einzelnen Physiotherapeuten überprüft. Dies gilt in gleicher Form für die Akupunktur und ihre Abwandlung die Goldakupunktur.